Nach Angaben des ehemaligen Betreibers sollten sie in der Nacht dort Wache halten, weil die Alarmanlage bereits abgebaut gewesen sei, aber noch wertvolle Ausrüstungsgegenstände in der Bar lagerten. Gegen ein Uhr in der Nacht brachten die beiden Hundebesitzer Osman Selvi, der die Shisha-Bar betrieben hat, und David Bakula die Hunde in die Räume der ehemaligen Bar. Wie beide erzählen, haben in der Nacht Einbrecher versucht, die Aluminiumtür auf der rückwärtigen Seite des Ladens aufzubrechen. „Die sind dann wohl geflüchtet, als die Hunde plötzlich vor ihnen standen. Aber sie haben das Schloss so demoliert, dass die Tiere nach draußen konnten“, sagte Osman Selvi. Offensichtlich haben sich die Hunde auf der Straße vor der Bar zuhause gefühlt. Das bestätigt auch Telwa Karalina vom benachbarten Telefonladen Base, die die beide Tiere als „sehr lieb“ bezeichnet. Ihre Chefin Tamara Büther erzählt, dass sie die beiden gelegentlich mit Werbeballons zum Spielen versorgt hat. Sie seien oft zu Besuch in den Laden gekommen. Offensichtlich war der Spieltrieb der Tiere auch ihr Verhängnis. Denn Anwohner wurden auf sie aufmerksam, weil sie an einem Plakat hochsprangen, das in einem kleinen Baum befestigt war, und daran zupften. Als die Polizei eintraf, sammelte sich bereits eine Menschenmenge am Friedensplatz an, die das Geschehen verfolgte, darunter viele Schulkinder. Auch ein Onkel Osman Selvis wurde auf das Geschehen aufmerksam. Er habe versucht, die Hunde zu beruhigen. Da sie jedoch ohne Halsbänder nicht zu fassen gewesen seien, habe der Mann damit Probleme gehabt. Dabei sei er verletzt worden. „Stimmt nicht. Die Hunde mussten gar nicht beruhigt werden. Sie spielten ganz friedlich mit einem Pizzakarton“, sagt Sebastiana Lauro. Die Augenzeugin meldete sich am Nachmittag beim ECHO und widersprach damit der Darstellung der Polizei. Darin heißt es auch, dass noch ein zweiter Mann verletzt worden sei. Doch dieser Vorfall hat sich bislang nicht bewahrheitet.

Myriam Finger und Aileen Becker sind Anwohner und haben das Geschehen aus ihrem Fenster beobachtet. Weil sie die Hunde schon als Welpen kannten, sind sie vor das Haus geeilt und haben die Polizisten gebeten, sie zu den Tieren zu lassen. Die Polizisten hätten darauf jedoch geantwortet: „Halt die Fresse. Verpisst euch“, sagten beide Frauen übereinstimmend. Ihnen sei außerdem ein Platzverweis angedroht worden.

Kurz darauf seien die Schüsse gefallen. Im Video sind deutlich Schreie von Finger und Becker zu hören. Außerdem machen die beiden Tiere eher einen friedlichen Eindruck. Die Tiere waren 18 Monate alt und stammen aus dem gleichen Wurf. Beide hätten die Wesensprüfung bestanden.

David Bakula nennt die Erschießung eine Hinrichtung. Es sei alles andere als eine Affekthandlung gewesen. Eine Polizistin habe sich zunächst geweigert, die Hunde zu erschießen. Erst daraufhin sei ein weiterer Streifenwagen mit dem Schützen und einer speziellen Waffe angefordert worden, sagt er. „Mein Hund hat zuerst einen Schuss ins Bein bekommen. Er hat es sich gebrochen, als er sich daraufhin über den Platz geschleift hat. Dann erhielt er zwei weitere Treffer. Der andere ist nach zwei Schüssen gestorben“, sagt Bakula. Als er selbst am Ort eingetroffen sei, wollte er sofort zu seinem Hund. Die Polizei habe ihn jedoch angehalten und ihn aufgefordert, sich auszuweisen. Bakula sagt, dass er daraufhin die Nerven verloren und sich eine Rangelei mit den Beamten geliefert habe. Er sei überwältigt, mit Handschellen gefesselt und zur Wache transportiert worden. Erst nach zwei Stunden habe er sie wieder verlassen dürfen. Bakula und Selvi wollen Anzeige erstatten.

Claudia Kemmler, Vorsitzende des Tierschutzvereins Rüsselsheim, widerspricht indessen der Behauptung der Polizei, eine Hinzuziehung des Tierheims sei nicht möglich gewesen. Die Notrufnummer des Vereins sei von der Polizei angerufen worden. „Wir haben sofort den zuständigen Pfleger verständigt. Doch dann hat die Polizei wieder angerufen und den Alarm zurückgenommen“, sagt sie. Ein Verwandter sei jetzt vor Ort, der den Besitzer verständigen werde, hieß es. Kemmler kritisiert allerdings, dass die Hunde alleine als Wachen in der Shisha-Bar zurückgelassen wurden.

In einer sehr frühen Stellungnahme der Polizei hieß es, dass man alles getan habe, damit die Hunde nicht sterben müssten. Die Pressestelle unterstrich gestern Nachmittag noch einmal, dass ein Verwandter des Besitzers gebissen worden sei. Wie es nach Darstellung der Polizei heißt, sei auch ein zweiter Passant angegriffen und verletzt worden. Beide Männer hätten ärztlich behandelt werden müssen. Um eine weitere Gefährdung für Unbeteiligte zu verhindern, seien beide Hunde anschließend durch die Polizisten erlegt worden. Eine andere Wahl sei nicht geblieben. Das ECHO hat eine detaillierte Stellungnahme bei der Polizei angefordert. Sie wurde bislang nicht beantwortet.

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